Gucken – der neue Sport an der Hauptstraße

aus der Kreiszeitung vom 20.07.2013 von Hans-Dieter Schuh

Sie stehen: Sechs Bänke des Stadtentwicklungsprojekts „Lebendige Bänke“ in der Stadtmitte wurden gestern eingeweiht. Durch gemütliches Sitzen.

Das ist ja eigentlich nicht Sache der Schwaben, wie Bürgermeister Wilfried Dölker in einer kleinen Ansprache vor dem Rektor-Franke-Haus bemerkte. Anderen Leuten beim Schaffen oder zumindest beim geschäftigen Herumfahren zuzugucken, war zumindest vor noch gar nicht allzu langer Zeit verpönt gewesen. Ist es aber nicht mehr – spätestens seit Holzgerlinger Handwerker, Schüler, Auszubildende und Jugendgemeinderäte kräftig dafür in die Hände gespuckt haben. „Das ist Stadtentwicklung, wenn Menschen sich ins Zeug legen“, so der Rathauschef. Ins Zeug gelegt hat sich Jo Hildt beim Organisieren und Landschaftsarchitekt Siegfried Knoll hat die Entwürfe aus dem Ärmel geschüttelt und er sponsert das begleitende Grün (samt eigenhändigem Rosenschnitt fürs Bänkle an der Tübinger Straße), die Bauhofmitarbeiter haben alles befestigt und die Gärtnerkolonne das Grün eingepflanzt. Besonders ins Zeug gelegt haben sich natürlich die Macher. Die Jugendräte in der W3-Werkstatt (Rundbank am Bloo), die Achtklässler Pascal, Emre, Soner und Lukas mit Zimmermannmeister Hans Sautter an der Spitze und von betreut von Berkenschul-Lehrer Siegfried Binder (die Lange Bank an der Eberhardstraße), die Eisenmann-Lehrwerkstatt (Stahlbank vor der Goldschmiede Weisser). Und die Firmen ur-Möbel (Hockerbank bei Optik Finkbeiner) und HKS Schlosserei und Metallbau (Rosenbank).

Eine ganz spezielle Bank ist vor der Bücherei, dem Rektor-Franke-Haus, entstanden. Nämlich eine Schulbank. Schreinermeister Thomas Mauerer (Firma Dannecker) hat sie entworfen und dabei jede Menge Herzblut reingesteckt. Denn mit dem Platz vor dem alten Gemäuer ist seine Fami- lie besonders eng verbunden. Hier steht in Bronze die kleine Grete, die der Cousine seiner Großmutter nachempfunden ist. Hier drückte er selbst ab 1965 die Schulbank und hat sich jetzt bei der Herstellung der Bank die Freude gegönnt, etwas zu tun, was damals – und auch heute – den Schülern verboten ist: nämlich so richtig nach Herzenslust auf der Schulbank rumzuschnitzen. Wie es sich für einen Schüler gehört, hat er seine und die Initialen seiner Frau Sabine in einem Herzchen verewigt und auch die seiner Kinder in das Eichenholz eingebrannt. Nebst sinnigen Sprüchen für diejenigen, die ab jetzt in der Bank sitzen. „Der Mensch soll lernen, nur die Ochsen büffeln.“ Erich Kästner hatte halt schon immer was für die Kinder übrig. Wilhelm Busch, der den Homo sapiens am besten kennt, hat Maurer ganz vorne auf die Schulbank platziert: „Also lautet der Beschluss (in altdeutscher Sütterlin-Schrift), dass der Mensch was lernen muss.“

Übrigens hat es noch Platz für weitere Sitzbänke im Stadtkern – die geplanten Sitzhocker am Rathausbrunnen fanden noch keinen Hersteller.

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